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Aktuelle digitale Spiegelreflexkameras

Digitale Spiegelreflexkameras

Reflexbewegung

Etliche neue digitale Spiegelreflexkameras (D-SLRs) haben den Markt in Bewegung gebracht. Nun gibt es für jeden Geldbeutel und jede Anwendung geeignete Modelle. Dieser Artikel zeigt die Trends und bietet eine Übersicht über die aktuellen Kameras.

MARKUS ZITT Der Siegeszug der Digitalfotografie hält unvermindert an, denn diese ist der analogen in vielen Punkten überlegen und überzeugt mit immens vielen Vorteilen, angefangen bei der Herstellung (sofortige Bildkontrolle und Verfügbarkeit, keine Verbrauchskosten) über eine allfällige Übermittlung (E-Mail, WLAN) bis hin zur schnellen Weiterverarbeitung bzw. Verwendung der Fotos (Web- und Printpublishing, Fotodruck).

Besser fotografieren

Doch nicht jede Digitalkamera lässt sich gleichermassen gut für jegliche Aufgabe einsetzen. Je nach Konstruktionsweise (siehe Box über die Kameratypen) erfüllen manche Modelle gewisse Anforderungen besser, d.h. sind zur Erledigung bestimmter Fotoaufgaben besser oder weniger gut geeignet. Während Kompaktkameras sich vor allem für gelegentliche Aufnahmen eignen und bei Nichtgebrauch gut verstaut und leicht für einen spontanen Schnappschuss mitgeführt werden können, sind die eher grösseren, schwereren und teureren digitalen Spiegelreflexkameras richtige Werkzeuge für gezielte fotografische Einsätze. Ihre Konstruktion (Details siehe Box SLR-Technik) empfiehlt sich für berufliche Anwendungen z.B. im Bereich des Publishings.

Zu den Vorteilen von D-SLRs gegenüber den Kompaktkameras gehört die Möglichkeit, ein Aufnahmesystem mit unterschiedlichen Objektiven zusammenzustellen und so für jede bestimmte Aufgabe oder Gestaltungsabsicht das optimale Objektiv einzusetzen. Auch ihre Schnelligkeit, die sich in rasanter automatischer Scharfstellung, unverzögerter Auslösung und schnellen Bildserien auswirkt sowie die bessere Bedienbarkeit dank grosszügiger Bedienelemente und eine tendenziell bessere Bildqualität sprechen für D-SLRs.

Umgekehrt formuliert: Wer regelmässig eine digitale Kompaktkamera nutzt, musste sicherlich schon öfter feststellen, dass sie für gewisse Aufgaben zu beschränkt war. Mal wäre ein stärkeres Tele-, mal ein extremeres Weitwinkelobjektiv nötig gewesen. Auch die geringe Lichtempfindlichkeit mit Werten bis maximal 400 ISO reicht oft nicht aus und verlangt häufig den Einsatz des störenden Blitzlichts oder führt zu verwackelten Fotos. Schon ab 200 ISO und erst recht bei 400 ISO wirken die Fotos zudem körnig. Auch wer von den diversen Einstellmöglichkeiten wie der manuellen Scharfstellung etc. Gebrauch macht, der wird sich wahrscheinlich an der fummeligen Bedienung, sprich an den meist klein geratenen Tasten und Rädchen, gestört haben. Hinzu kommen meist eine nervige Auslöseverzögerung und das träge Scharfstellen, was manchen Schnappschuss vereitelt. Die Lösung dieser Probleme ist die Verwendung einer digitalen Spiegelreflexkamera.

Doch nicht nur Profi- und Hobbyfotografen sind potenzielle D-SLR-Käufer, sondern auch alle anderen Fotofans, die von den erwähnten Vorteilen profitieren möchten, wie zum Beispiel Eltern, die ihren quirligen Nachwuchs nur mit einer D-SLR fotografisch einfangen können.

D-SLRs für alle

Während bei den kompakten Digitalkameras die Absatzsteigerungen abzuflachen begonnen haben und eine gewisse Marktsättigung auszumachen ist, sind es momentan die digitalen SLRs, die sich stark wachsender Beliebtheit erfreuen. Sie markieren zwar preislich die Spitze der Digitalkameras, sind heute aber günstig wie nie zuvor. Zu Beginn des Digicam-Booms waren D-SLRs nur für fünfstellige Beträge zu haben, doch die Preise sanken kontinuierlich auf einige Tausend Franken, bis Canon im Herbst 2003 mit der EOS 300D die erste D-SLR für Einsteiger für deutlich unter 2000 Franken auf den Markt brachte. Von den anderen in Zugzwang geratenen SLR-Herstellern konnte nur Nikon mit der etwas höherwertigen D70 rechtzeitig nachziehen und Canon zeitweise bei den Verkäufen überflügeln. Aktuell sind die günstigsten D-SLR-Modelle samt Zoomobjektiv für rund 1300 Franken zu haben, und diesen Sommer wurde bereits die zweite Generation preiswerter Einsteiger-D-SLRs eingeführt. Nachdem Marktführer Canon im Frühling seine EOS 350D mit 8 Mpx in die Regale gebracht hatte, zogen Nikon mit der preiswerten D50 und einer aktualisierten D70s, dann Pentax mit der besonders günstigen *ist DL und schliesslich Konica Minolta mit der Dynax 5D nach. Wie stark der Markt in der D-SLR-Einsteigerklasse umkämpft ist, wird deutlich durch die Tatsache, dass Konica Minolta den Preis ihrer 5D schon zwei Wochen nach Einführung um 200 Franken senkte.

Überlebenskampf

Grund für den starken Konkurrenzkampf sind nicht einfach nur kurzfristige Gewinnabsichten, sondern es geht um die Zukunft der Kameramarken. Wer jetzt keine SLR verkauft, hat später keine Kunden für den lukrativen Objektivverkauf, denn mit dem Kamerakauf entscheidet sich jeder Käufer für ein bestimmtes System und wird diesem mit hoher Wahrscheinlichkeit über längere Zeit treu bleiben. Er wird also weitere Objektive sowie eines Tages auch eine neue D-SLR der gleichen Marke kaufen, um seine vorhandenen Objektive weiter verwenden zu können.

Mit der Entwicklung einer D-SLR sind enorme Kosten auf Seiten der Kamera- und Digitaltechnik verbunden, die sich auf die Dauer nur durch entsprechende Absätze refinanzieren lassen. Aus diesem Grund hat zum Beispiel die finanziell angeschlagene Leica auf die Entwicklung einer kompletten D-SLR verzichtet und sich stattdessen auf ein Digitalteil zur ihren analogen SLRs konzentriert. Aus den gleichen Gründen gibt es auf dem D-SLR-Markt auch keine neuen Marken bzw. wagt es kein Digicam-Hersteller, ein SLR-System aus dem Boden stampfen, wie dies Olympus mit dem Fourthirds-Standard letztlich im Alleingang schaffte. Sogar Sony, zusammen mit Canon der führende Digicamhersteller, riskiert nichts und setzt für D-SLRs auf die Zusammenarbeit mit Konica Minolta.

Wegen der immensen Kosten für die kontinuierliche Weiterentwicklung von D-SLRs auf einem hart umkämpften Markt ist es wahrscheinlich, dass sich von den heutigen D-SLR-Anbietern einige aus dem Geschäft zurückziehen müssen. Kodak hat dies bereits getan und stellt keine D-SLRs mehr her. Kyocera, die Kameras der Marke Yashica und zusammen mit Zeiss solche der Marke Contax (Kleinbild, Mittelformat, digital) herstellte, hat die Kameraproduktion gar komplett eingestellt.

Tiefe Auflösungen lösen sich in Luft auf

Aktuell geht der Trend bei Digicams wieder sehr stark zu einer wachsenden Auflösung – und zwar bei allen Kameratypen und auch bei den Fotohandys. Selbst die kleinen ultrakompakten Digicams bieten heute standardmässig 5 Mpx oder mehr, wie z. B. die Minolta Dimage X1 mit 8 Mpx. Die grösseren und besseren Kompaktkameras weisen derweil 6 bis 8 Mpx auf. Mit noch mehr Auflösung trumpfen nur einige brandneue Superzoom-Modelle wie die Fujifilm FinePix S9500 (9 Mpx, Objektiv 28–300mm) oder die Sony Cybershot DSC-R1 (10 Mpx, 24–120 mm) auf.

Bei D-SLRs stagniert derweil die Auflösung bei 6 Mpx, da es bislang keine 8-Mpx-CCD-Chips in der typischen APS-C-Grösse (ca. 23×15 mm) gibt. In den 8-Mpx-SLR-Modellen von Olympus, der E-300 und der E-500, kommen ja kleinere Fotochips (17,3×13 mm) zum Einsatz, was sich in einer zweifachen Brennweitenverlängerung und höherem Rauschen auswirkt. In allen anderen hoch auflösenden Kameras (alle Canon-Modelle sowie Nikon D2x) werden dagegen CMOS-Chips oder in der Fujifilm FinePix S3 Pro der eigene Fuji-Super-CDD eingesetzt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die erwähnte Sony R1, die als Superzoomkamera einen CMOS-Chip von 21,5×14,4 mm besitzt, eine Grösse, die etwa den in D-SLRs verwendeten Chips entspricht. Damit verspricht die R1 nicht nur rauscharme Bilder, sondern man kann sich durchaus vorstellen, dass dieser oder ein nahe verwandter Chip demnächst in neuen D-SLR-Modellen verbaut werden wird. Denn schliesslich beliefert Sony als Chiphersteller auch viele andere Kameramarken. Denkbar wären eine Nikon D200, oder wie auch immer das lang erwartete Nachfolgemodell zur D100 heissen wird, und ebenso eine Konica Minolta 9D, was nach der angekündigten Zusammenarbeit von Konica Minolta und Sony auf dem Gebiet der D-SLR-Herstellung besonders nahe läge.

Canon: EOS 5D mit Vollformatchip

Die SLR-Sensation dieses Herbstes ist aber die Canon EOS 5D, und zwar nicht wegen ihrer 12-Mpx-Auflösung, sondern wegen ihres Vollformatchips. Mit 35,8×23,9 mm entspricht dieser quasi dem Kleinbildformat (36×24 mm), womit die besonders im Weitwinkelbereich ärgerliche Brennweitenverlängerung entfällt. Bislang waren Vollformatchips den teuersten Profimodellen, wie der Canon EOS 1 Ds Mark II oder den etwas günstigeren Kodak-DCS-14-Modellen, vorbehalten. Mit einem Listenpreis von rund 5000 Franken bzw. Web-Discountpreisen von 4000 Franken ist die 5D vergleichsweise preiswert. Ihr Gehäusedesign, ihre Bedienung und ihr Funktionsumfang entsprechen weitgehend der EOS 20D, doch wirkt die 5D etwas bulliger, hat einen grösseren LCD-Monitor und verzichtet auf einen internen Blitz. Gegenüber den Hochleistungsprofimodellen der EOS-1-Serie unterscheidet sich die 5D durch ihre kompakten Abmessungen, ihr geringeres Gewicht und den Verzicht auf Dichtungen, die den Einsatz der ESO-1-Modelle selbst im Regen möglich machen.

Rückteile und Mittelformatkameras

Abgelöst hat Canon zudem ihr 8-Mpx-Sportmodell und die EOS 1D Mark II durch die EOS 1D Mark IIn. Die Neue ist etwas schneller geworden und schiesst nun 48 statt 40 Fotos in Folge. Ausserdem hat sie einen grösseren Monitor. Sie kann simultan aufgezeichnete JPEG- und RAW-Fotos gleichzeitig auf zwei unterschiedlichen Karten sammeln. Beibehalten wurde leider die bei den EOS-1-Modellen umständliche Zwei-Tasten-Menübedienung, die noch aus den Urzeiten der EOS 2000 herrührt. Als Argument war zu hören, dass sich halt die Profis von Bildagenturen nur ungern an Neues gewöhnen. Dabei wären durchaus zwei alternativ wählbare Menüs denkbar, so, wie diese manche Software bietet. Ein «Classic»-Modus zeigt das Menü wie gehabt, ein «moderner» präsentiert ein Menü wie bei der EOS 20D bzw. der 5D.

Auch beim digitalen SLR-Mittelformat bzw. den Digi-Rückteilen tut sich was. PhaseOne hat jüngst neue Rückteile mit höherer Auflösung vorgestellt. Das P 45 hat 39 Mpx und das P 30 bietet 31 Mpx. Somit können Digi-Backs wieder etwas Boden gutmachen, nachdem sich die Canon EOS-1 DS Mark II mit ihren 17 Mpx zur bedrohlichen Konkurrenz mauserte. Bezüglich Bedienkomfort und Mobilität hinken Digi-Backs ja den D-SLR hinterher. Hasselblad liefert nun mit der H2D ihre neue H2-Mittelformatkamera samt einem abgestimmten Express-Digi-Back aus. Ein Akku und ein gemeinsamer Einschaltknopf und weitere Details machen die H2D zu einer Komplettlösung. Einen Schritt weiter geht Mamiya mit ihrer ZD, die vor einem Jahr als erste komplette Mittelformat-D-SLR vorgestellt wurde. Ähnliches ist auch von Pentax zu erwarten, deren Mittelformatkameras mangels wechselbarer Filmmagazine den Digi-Backs bislang verwehrt blieben.

Techniktrends

Erfreulicherweise beschränkt sich die gegenwärtige Entwicklung bei kompakten und SLR-Digicams nicht nur auf Auflösungssteigerungen, sondern auch die eingesetzten LCDs werden immer grösser. Bildschirmdiagonalen von 1,8 Zoll sind passé. 2,5 Zoll (6,3 cm) grosse LCDs liegen im Trend und bieten in der Regel eine auf 230000 px verdoppelte Auflösung anstelle der früher üblichen 115000 px.

WLAN ist auch für Digicams im Kommen. Dem Sportfotografen am Rand eines Spielfeldes ermöglicht WLAN, seine Fotos gleich via Hotspot auf seinen Webserver zu übermitteln und so den Sportredaktionen zum Download anzubieten. Mit WLAN kann ein Modefotograf seine Katalogfotos am Strand schiessen und sie dabei laufend aufs Notebook im Hotelzimmer schicken, sodass der zeitraubende Bildtransfer nach dem Shooting entfällt. Doch auch in anderen Bereichen (Fotostudio, Arztpraxis) erweist sich WLAN als praktisch. Neu ist, dass es WLAN nicht mehr nur optional zu den Profikameras von Canon und Nikon gibt, sondern erstmals auch in Kompaktmodellen von Nikon. Das eröffnet auch Gelegenheitsfotografen witzige Möglichkeiten, etwa an Partys Fotos laufend auszudrucken oder auf einem Beamer live zu präsentieren.

FaZitt

Das aktuelle D-SLR-Angebot bietet für jeden etwas: für den Auflösungsfetischisten 12 Mpx und mehr (Canon 1Ds, Canon 5D, Fuji S3, Nikon D1x), für den Actionfan Hi-Speed-Serienfotos mit 8 fps (Canon 1D, Nikon D2Hs und D2X), für Weitwinkelfotografen den Vollformatchip (Canon Ds und 5D) bzw. zu allen anderen D-SLRs extreme Weitwinkel vom Original- oder Fremdobjektivhersteller (Sigma, Tamron, Tokina) und für den Gelegenheitsfotografen günstige Einsteigermodelle.

Die Kameras lassen sich je nach anvisierter Zielgruppe und Preis grob einteilen. Die preiswerten Einsteigemodelle unter 1500 Franken sind für Konsumenten, die nur gelegentlich und vor allem in den Ferien oder bei Familienanlässen fotografieren. Sie sind leicht und relativ klein, besitzen stets einen integrierten Blitz und schaffen 1600 ISO. Für Profifotografen und andere professionelle Anwender sind die teureren Modelle ab 3000 Franken konzipiert. Sie weisen entweder eine hohe Auflösung (ab 10 Mpx) auf oder besonders schnelle Serienfotofunktion (5 oder 8 fps). Zu Preisen um 2000 Franken gibt es die semiprofessionellen Modelle, die sich an den fortgeschrittenen Anwender (neudeutsch: Prosumer) richten, aber auch von Profis benutzt werden, die nicht die Topleistung brauchen oder sich eine preiswertere (Zweit-)Kamera leisten wollen. Diese SLRs weisen einen ähnlichen Funktionsumfang wie die Einsteigermodelle auf, sind jedoch schneller, robuster, grösser und schwerer. Sie bieten zusätzliche Konfigurationsmöglichkeiten und eine Empfindlichkeit bis 3200 ISO.